covid metorietRadikal unsichere Bedrohungen wie der Einschlag eines Meteoriten oder die nächste Pandemie blenden wir aus. Die Gefahr des Klimawandels erscheint uns hingegen berechenbar. Deshalb bekämpfen wir ihn mit viel Geld. Andere Stimmen verdrängen wir.

Ende Juni erschien das britische Wochenmagazin „The Economist“ mit einer Titelgeschichte über „die nächste Katastrophe“. Die Autoren wiesen darauf hin, dass die Welt ähnlich unvorbereitet wie für Covid-19 von weiteren Katastrophen überrascht werden könnte, und sie spannen den Bogen der Überraschungen vom Einschlag eines Meteoriten bis zum Ausbruch einer wirklich garstigen Pandemie.

Hatte nicht der Einschlag eines Meteoriten von zehn Kilometern Durchmesser vor 66 Millionen Jahren das Ende der Dinosaurier eingeleitet? Und könnte nicht ein Erreger mit der Verbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus und der Tödlichkeit des Pestbazillus ein Drittel der Menschheit ausrotten?

Obwohl sie sehr real sind, verdrängen wir diese Risiken, weil uns ihre Eintrittswahrscheinlichkeit als unberechenbar erscheint. Wie sollte auch ein Politiker enorme Geldbeträge für Vorkehrungen gegen solche Ereignisse mobilisieren können, wenn wir keinen blassen Dunst haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie uns treffen könnten?

Im Gegensatz dazu sind wir bereit, Unsummen auszugeben, um eine mögliche Bedrohung unserer Lebensumstände in der fernen Zukunft durch eine möglicherweise von menschlichen Aktivitäten verursachte Erwärmung der Erdatmosphäre abzuwehren.

Im Gegensatz zu einem Meteoriteneinschlag oder einer die menschliche Existenz bedrohenden Pandemie erscheint uns die Bedrohung durch den Klimawandel berechenbar.

Ausblendung von Unsicherheit

Vorkehrungen dagegen sind deshalb begründbar. Wie ich in den vorangegangenen Artikeln ausgeführt habe, ist die Transformation unberechenbarer, radikaler Unsicherheit in berechenbare Risiken ein Anliegen der Menschheit seit der Zeit der Aufklärung. Wenn wir nicht mehr an die göttliche Fügung glauben, geben wir uns der Illusion hin, wir könnten die Zukunft vermessen.

Dabei „verlängern (wir) die Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft und verheddern uns deshalb in der scheinbar berechenbaren Zukunft in den Fallstricken der Vergangenheit“, so der Soziologe Ulrich Beck.

Die Ausblendung radikal unsicherer Bedrohungen, die der „Economist“ beklagt, geht einher mit der Ausblendung von Unsicherheit bei der Berechnung scheinbar berechenbarer Risiken. Da das Klima ein sehr komplexes System ist, kann seine Veränderung nur in Modellen untersucht werden, die dieses System mehr oder weniger genau abbilden können.

Diese Modelle werden aufgrund von „Erfahrungen der Vergangenheit“ konstruiert und kalibriert. Wie alle Abstraktionen von einer komplexen Wirklichkeit können diese Modelle nicht frei von Irrtümern bei der Konstruktion und Kalibrierung sein. Der Weltklimarat qualifiziert seine Aussagen folglich in der Regel mit Wahrscheinlichkeiten für ihr Zutreffen.

Doch haben diese Wahrscheinlichkeiten keine mathematische Begründung, da auch der Weltklimarat nicht alle möglichen, das Klima bestimmenden Zusammenhänge kennen kann. Der Rat kann also nur die Mehrheitsmeinung seiner Mitglieder in Zahlen ausdrücken.

In der öffentlichen Diskussion wird aber auch dieser schwache Hinweis auf mögliche Irrtümer ausgeblendet. „Hört auf die Wissenschaftler“, mahnt Greta Thunberg und meint damit Protagonisten des Betriebs der Klimawissenschaften, die aller Wissenschaft notwendigerweise innewohnende Zweifel längst hinter sich gelassen haben und zu Aktivisten im Wissenschaftspelz geworden sind.

Je sicherer das Bedrohungsszenario ausgemalt wird – und je kürzer die verbleibende Zeit zu seiner Abwendung veranschlagt wird – desto leichter ist es, die Politiker zur Eintreibung großer Geldsummen zu seiner Abwendung zu bewegen.

Andere Stimmen, die Zweifel an dem Bedrohungsszenario äußern, müssen durch Ausgrenzung zum Schweigen gebracht werden, denn sonst könnten ja Zweifel aufkommen, ob die vielen öffentlichen Gelder gut angelegt sind.

Das Ergebnis ist eine „Schweigespirale“. Nehmen wir als Beispiel dazu eine eigenartige Beobachtung: Durch die Verhängung von „Lockdowns“ wurde das Leben weltweit stark eingeschränkt, und die von Menschen verursachten CO2-Emissionen sanken in den Monaten März bis April drastisch (bei uns um bis zu 26 Prozent).

Könnten andere Einflüsse als die menschliche Produktion von CO2 dominieren?

Obwohl sie saisonal schwankt, hat das die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht berührt. Im ersten Quartal dieses Jahres wurde auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa, einer beliebten Messstation, eine CO2- Konzentration von im Schnitt 416,56 „parts per million“ (ppm) gemessen.

Das waren 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch im zweiten Quartal und noch im August lag die Konzentrationen stabil um 0,6 Prozent über den Werten des Vorjahrs.

Könnten andere Einflüsse als die menschliche Produktion von CO2 dominieren? Kann es sein, dass eine Intensivierung der Sonnenstrahlung die Ozeane erhitzt und dadurch CO2 freigesetzt wird, sodass der Zusammenhang zwischen CO2–Anstieg und Erderwärmung eine andere Ursache als die vermutete hat?

Sind diese Fragen zu dumm, als dass sie einer Antwort wert wären? Habe ich die längst gegebene Antwort übersehen? Oder halten wir an der Theorie der von Menschen zu verantwortenden Erderwärmung einfach fest, weil wir glauben, wenigstens dieses Risiko vermessen zu können?

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Professor an der Universität Witten/Herdecke